B04Mit Sorge (Care) sortieren
Humandifferenzierung in Kontaktzonen der Unterstützung
Das Teilprojekt B04 „Mit Sorge unterscheiden. Humandifferenzierung in Kontaktzonen der Unterstützung“ konzentriert sich auf unterschiedliche Initiativen und Netzwerke informeller Hilfe und auf die Humandifferenzierungen, die in deren alltägliche Praktiken der Solidarität und der Umverteilung eingelagert sind.
Die beiden Teilstudien des Projekts werden seit 2022 in urbanen Zentren Portugals und Brasiliens durchgeführt, indem sich zwei forschende Doktorandinnen, Elena Hernández und Elena Reichl, teilnehmend beobachtend in unterschiedliche „Kontaktzonen der Unterstützung“ integrieren. Während sie sich beispielsweise an Aktionen der christlichen Armenspeisung, an aktivistischen Kämpfen gegen Gentrifzierung oder an Landbesetzungen sozialer Bewegungen beteiligen, untersuchen sie, welche Humandifferenzierungen in welcher Form und Intensität in den Alltagspraktiken dieser Kollektive auftauchen und inwieweit diese die Perspektiven und Handlungen der beteiligten Akteure beeinflussen.
Der Projekttitel „Mit Sorge unterscheiden“ verweist auf unterschiedliche Dimensionen von Sorge (Care): Während sich diese Kollektive einerseits an der Sorge für Menschen orientieren, die als ‚benachteiligt‘ oder ‚vulnerabel‘ kategorisiert werden, können klassifizierende Begriffe und Praktiken innerhalb dieser Kontaktzonen gleichzeitig als politisch problematisch wahrgenommen werden, weshalb sie einen sorgsamen Umgang erfordern. Kategoriale Unterschiede werden daher häufig nach innen negiert oder verwischt, während gleichzeitig die kategoriale Abgrenzung nach außen, z.B. gegenüber Andersdenkenden, fixiert wird.
Wie arbeiten wir? Um sowohl die Verfestigungen und Sedimentierungen als auch die Ambiguitäten, Negationen und Unterwanderungen von Humandifferenzierung zu erfassen, konzentrieren wir uns auf mehrere Handlungsebenen: Erstens, auf die jeweilige zeithistorische Herausbildung von bedürftigkeitsbezogenen Kategorien, auch im Zusammenspiel mit postkolonialen Sozialpolitiken und bürokratischen Klassifikationen. Zweitens, auf die (Selbst-)klassifikation von Helfenden, ggf. über die Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen, und im Zusammenspiel mit politischen Konjunkturen und gegenwärtigen Krisendiskursen. Drittens, auf die Fremdklassifikation von Hilfe-Empfangenden, beispielsweise in alltäglichen Interaktionen, in denen das Recht auf (Für)Sorge nicht nur über das intersektionale Zusammenspiel von Einkommen, Staatsbürgerschaft, Rassialisierung, Wohnform, Familienkonstellation, Gender, Dimensionen von Im/Mobilität oder körperlichen Fähigkeiten wahrgenommen und eingeordnet wird, sondern auch über performative und affektive Marker wie Konformismus, Vulnerabilität, Leistungsbereitschaft oder Dankbarkeit.