B06Migration und Sozialstaat in den USA
Das Projekt erforscht Humandifferenzierung als Teil der Einwanderungs-, Konsum- und Sozialpolitik der USA im zwanzigsten Jahrhundert. Die Hypothese lautet, daß Migrationsdebatten ein zentraler Schauplatz für die Herausbildung konsumistischer und wohlfahrtsstaatlicher Humandifferenzierung in den USA waren.
Hintergrund
Der Übergang zu einer konsumorientierten Wirtschaft und die Möglichkeit der „Freiheit vom Mangel“ gehören zu den zentralen Erfahrungen der industriellen Moderne des 20. Jahrhunderts. Viele Experten, Sozialreformer, Bürokraten, Gewerkschafter etc., die Ideen des „Wohlstands für alle“ und konsumpolitische Institutionen mitgestaltet haben, taten dies auf der Grundlage ihrer Analyse des „Einwanderungsproblems“ und ihrer Unterstützung für restriktive und rassistische Immigrationsgesetze. Dieser migrationspolitische Kontext prägte die humandifferenzierenden Taxonomien, die den konsumpolitischen und wohlfahrtsstaatlichen Vorstellungen zugrundelagen.
Herangehensweise
Das Projekt untersucht die Kategorisierung von Einwanderern z. B. nach Ernährung, Gesundheit, Bildung, sozialen Gewohnheiten, häuslichem Leben, sanitären Einrichtungen und Einkommensniveau als Teil der Konstruktion neuer Vorstellungen von Konsumenten. Es zeigt auf, daß Kategorien wie „Ethnizität“, „Rasse“ oder „Geschlecht“ Teil der Bemühungen waren, Konsumpolitik und den modernen Wohlfahrtsstaat gesellschaftlich zu verankern. Expertenkulturen und staatliche Bürokratien generierten somit elementare Kategorien der Humandifferenzierung im Kontext der Verknüpfung von Migrationsthemen, Konsumgesellschaft und Sozialpolitik.
Beitrag zu gegenwärtigen Debatten
Das Projekt zeigt auf, daß sowohl Ethnorassismus als auch Multikulturalismus zu verschiedenen Zeiten zentraler Bestandteil der Legitimierung und Operationalisierung von Konsumpolitik und der Definition des sozialen Auftrags des Staates waren. Es verweist auf Kontinuitäten zwischen wohlfahrtsstaatlicher Politik und dem neueren neoliberalen Abbau sozialer Versorgungssystem. Es zeigt auch, dass die einwanderungsfeindliche Stimmung in den letzten Jahren weniger mit der Anzahl oder der Herkunft der Migranten zu tun hat als mit einer Krise der Konsumgesellschaft im Zeitalter begrenzter Ressourcen.