Dissimilieren

26. January 2025
Prof. Dr. Stefan Hirschauer

Markierungen sorgen für ästhetische Abstandsvergrößerung, sie führen Unterscheidungen über die Oberflächengestaltung von Objekten, Dissimilierungsprozesse schreiben sie ihnen auch materiell und habituell ein. Man kann ‚Geschlechter‘ etwa nicht nur verschieden benennen, frisieren und kleiden, man kann sie auch verschieden ernähren, beschäftigen, trainieren und stimmlich differenzieren. So wie das Design Artefakte und die Züchtung Tierarten physisch differenziert und die ihnen zugeschriebenen Attribute in ihren materiellen Strukturen zur Erscheinung bringt und fortentwickelt, so werden auch materielle Abstände zwischen Kategorien von Menschen an diesen hergestellt und vorangetrieben. Das gilt für die Einschleifung professioneller Habitus, die körperliche Disziplinierung von Sportler:innen, die geschlechter-differenzierende Sozialisation, die Herstellung von Stimmen im klassischen Gesang oder die sprachliche Entähnlichung verfeindeter Ethnien. Eine konstitutiv ungleiche Behandlung von Menschen ist zuallererst eine differenzielle, dissimilierende Behandlung, die ihnen eine kulturelle Unterscheidung als faktische Unterschiedlichkeit einschreibt, ihre Körper entähnlicht und materiell verandert.