Alterisieren
Unterscheidungen zwischen Menschen sind meist auch Selbstverortungen. Sie wirken für die Unterscheidenden nicht wie links/rechts- sondern wie innen/außen-Unterscheidungen, sie trennen Gleiche von Ungleichen, „uns“ von „denen“. Dies macht sie aus zwei Gründen latent asymmetrisch. Zum einen werden bei Wir/die-Differenzierungen beide Seiten verschieden stark entdifferenziert: Die eigene Seite wird in einer narzisstischen Homophilie für ‚Unseresgleichen‘ in sich differenzierter wahrgenommen, die andere stärker versämtlicht. Zum anderen haben Wir/die-Unterscheidungen einen blinden Fleck in der Normalität des Eigenen, vor deren Hintergrund nur das Andere mit signifikanten Eigenschaften ausgestattet scheint. Die Anderen repräsentieren das, was beide Seiten unterscheidet. Sie werden kulturell als ‚ungleich‘ markiert. Viele Humandifferenzierungen sind daher in je einer Seite zentriert und durch die andere markiert. Auf dieser Basis stilisieren manifeste Alterisierungen Ungleiche als essenziell andersartig. Kontrastierungen spitzen Stereotype zu, überzeichnen das Verschiedene und negieren das Ähnliche, sie überhöhen die materielle Dissimilierung der Körper symbolisch. Außerdem geben Essentialisierungen einer Differenzierung Tiefe, indem sie die von der Kategorie behauptete Homogenität all ihrer Elemente in einem innerlichen Wesensmerkmal verwurzeln. Alterisierungen exotisieren Andere und vergrößern die kognitiven und affektiven Abstände zu ihnen, sie machen Empathie und Perspektivenübernahmen unwahrscheinlicher.