Differenzierung
Differenzierung wird im SFB nicht als evolutive Ausdifferenzierung einer vormals undifferenzierten Einheit verstanden, sondern praxeologisch: als ein konflikthafter und reversibler Prozess des Auseinanderfindens, -haltens, -ziehens und -treibens, der fortlaufend aufrechterhalten und institutionell aufgebaut oder zurückgebaut wird. Die Theorie der Humandifferenzierung soll die reifizierende ethnosoziologische Vorstellung einer gegebenen Diversität der Population und gegebener Eigenschaften ihrer Mitglieder durch ein Prozessvokabular ersetzen. Was als ‚Diversität‘ erscheint, ist eine Praxis der fortlaufenden Selbst- und Fremdunterscheidung in diversen Hinsichten (etwa nach Ethnizität, Religion, sexueller Präferenz). Unterschiede resultieren aus Unterscheidungen, Zugehörigkeiten aus Zuordnungen. Menschen, die dem Alltagsverstand einfach nur ‚unterschiedlich‘ erscheinen, unterscheiden sich fortlaufend in einer Vielzahl von Hinsichten – oder sie unterlassen und unterbinden es (s. Undoing). Diese Praxis des Auseinanderhaltens und der Abstandsvergrößerung ist je nach Differenzierung zu unterschiedlichen Graden institutionalisiert.