Staging Differences: Orientierungen, Kategorisierungen und Identitätspolitiken in Theater und Performance
Friedemann Kreuder | Benjamin Wihstutz
Im Gegensatz zu naturgegebenen Unterschieden bestehen kulturelle Phänomene aus kontingenten, sinnhaften Unterscheidungen, die durch historisch und geografisch spezifische Kontexte geprägt sind. Diese sinnhaften Unterscheidungen sind sozial konstruiert und werden auf verschiedene Dinge wie Pflanzen, Tiere, Artefakte oder Krankheiten angewandt. Viele Unterscheidungen wie etwa Mensch, Tier oder Maschine, schwarz, weiß oder indigen, männlich, weiblich oder divers, sind dabei hochgradig soziopolitisch aufgeladen und prägen zahlreiche Debatten der Gegenwart. Die gesellschaftlich interessatesten und häufig kontroversesten Unterscheidungen sind dabei diejenigen, durch die sich die Unterscheider*innen selbst voneinander unterscheiden.
Dieser Prozess markiert die sozialen Zugehörigkeiten der Klassifizierer*innen, definiert die Zusammensetzung von Gruppen, schreibt Individuen Formen der Mitgliedschaft zu und subjektiviert sie durch spezifische kulturelle Kategorien. Das Theater vermag diese Unterscheidungen zu verhandeln, indem es sie szenisch oder performativ verstärkt oder dekonstruiert, soziale Kategorien oder Zugehörigkeiten stereotypisiert oder die Doppelung von Präsenz und Repräsentation gezielt dazu nutzt, mit jenen Askriptionen von Identitäten und Klassifikationen zu spielen. Doch auf welche Weise werden Differenzen und soziale Kategorien im Theater durch ein solches Staging Differences verstärkt oder verflüssigt, reflektiert oder verworfen?
Beiträge aus dem SFB 1482 Humandifferenzierung:
Friedemann Kreuder & Benjamin Wihstutz: Staging Differences. Eine Einleitung
Stefanie Hampel: Zerteilung als zweite Natur. Über eine Ordnungsleistung zwischen Norm, Ästhetik und Natur in Goethes Regeln für Schauspieler
Friedemann Kreuder: Un/markiert? – Inklusive und exklusive Tendenzen im künstlerischen Aktivismus von Simone Dede Ayivis The Kids Are Alright (Künstlerhaus Mousonturm, 2024)
Benjamin Wihstutz: Un/geteilte Räume. Dramaturgies of Access im Theater und an der Universität
Mirjam Kreuser: Crip-queere Affekte, Zeitlichkeit und Utopie in Lucy Wilkes und Paweł Duduś’ Performance Scores that shaped our friendship
Elena Backhausen: Entrückte Temporalität im Spiel mit Behinderung – Potenziale der Illusion in Marina Oteros Fuck Me
Mita Banerjee & Ruth Gehrmann: Performing Difference: Die „Diversity-Staffel“ von Germany’s Next Topmodel
Stefanie Husel: Wettstreit der Generationen? Verhandlung, Nivellierung und Neujustierung von Differenz in (und um) She She Pops Dance Me!
Yana Prinsloo: Performing Care. Zur Schnittstelle von Theater und Dienstleistung bei The Agency
Kreuder, Friedemann; Wihstutz Benjamin [Hg.] 2024: Staging Differences: Orientierungen, Kategorisierungen und Identitätspolitiken in Theater und Performance. Tübingen: Narr Franck Attempto Verlag